Veranstaltung: | 55. Landesversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 19 Weitere Anträge (V-Anträge) |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Marvin Frommhold, Daniel Gerber, Thorge Babbe |
Beschlossen am: | 15.05.2022 |
Eingereicht: | 13.05.2022, 17:44 |
Dringlichkeitsantrag: Chatkontrolle stoppen!
Beschlusstext
Der Landesverband BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen lehnt eine anlasslose und
massenhafte Überwachungspflicht privater Kommunikation als unverhältnismäßig und
verfassungsrechtlich schwer bedenklich ab und spricht sich gegen die Einführung
einer sogenannten Chatkontrolle durch die EU-Kommission aus.
Die Landesdelegiertenkonferenz fordert deshalb
- die Sächsische Staatsregierung auf, sich im Bundesrat und dessen Ausschüssen
für die Ablehnung der Einführung einer Chatkontrolle einzusetzen
- die BÜNDNISGRÜNEN Bundestagsabgeordneten auf, im Dialog mit den
Koalitionspartner und insbesondere mit dem Bundesministerium des Innern und für
Heimat dafür Sorge zu tragen, dass die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag zur
Ablehnung von allgemeinen Überwachungspflichten und Maßnahmen zum Scannen
privater Kommunikation eingehalten werden.
- die Abgeordneten der GRÜNEN/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament auf, eine
Mehrheit gegen das Gesetzesvorhaben im Europäischen Parlament zu organisieren.
Begründung
Am 11. Mai 2022 hat die EU-Kommission eine Rechtsvorschrift zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet vorgeschlagen. Mit dem Gesetzesvorschlag möchte die EU-Kommission Anbieter von Online-Diensten dazu verpflichten, Material über sexuellen Kindesmissbrauch in ihren Diensten aufzudecken, zu melden und zu entfernen.
Dazu ist vorgesehen, dass auf jedem Gerät jede Nachricht, jedes Bild und jede Datei auf Abbildungen von Kindesmissbrauch und illegale Kontaktaufnahme mit Kindern automatisch untersucht wird. Werden entsprechende Inhalte erkannt, sollen diese direkt an eine Kontrollinstanz oder die Polizei ausgeleitet werden.
Diese anlasslose und massenhafte Überwachung ohne konkreten Anfangsverdacht stellt einen Angriff auf die vertrauliche Kommunikation und die Integrität informationstechnischer Systeme dar. Außerdem wird damit das Prinzip der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ausgehebelt und somit unser aller Sicherheit im Netz gefährdet. Die GRÜNEN/EFA im Europäischen Parlament und die GRÜNE Bundestagsfraktion haben bereits ihre ablehnende Haltung gegen die Chatkontrolle als anlasslose Massenüberwachung privater Kommunikation ausgedrückt.
Die Einführung einer solchen Massenüberwachung ist eine Umkehr der Unschuldsvermutung und führt zu einem Ende des Briefgeheimnisses für digitale Kommunikation. Obendrein ist eine solche Maßnahme unwirksam, da bereits heute Kriminelle andere Verbreitungswege nutzen. Letztlich werden davon vor Allem diejenigen Menschen betroffen sein, welche auf eine vertrauenswürdige Kommunikation angewiesen sind, wie etwa Journalist*innen, Whistleblower*innen und auch Politiker*innen.
Die für das automatische Scannen einzusetzenden KI-Systeme sind außerdem sehr fehleranfällig. Dies wird zu massenhaft Verdächtigungen gegenüber den Bürger*innen führen. Dadurch werden sich bei den zuständigen Kontrollstellen und der Polizei große Mengen an irrelevantem Material anhäufen, was wiederum die Beamt*innen von anderer, wichtiger Ermittlungsarbeit abhält. Hinzukommt, dass aktuell gefundene Materialien noch nicht einmal gelöscht werden. Eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung von Polizei, Ermittlungsbehörden und Jugendämtern wären das wichtigere Ziel im Kampf gegen Kindesmissbrauch.
Das Vorhaben der EU-Kommission stößt nicht nur in der Politik auf Widerstand. Eine breite Basis von Zivilgesellschaft, Verbänden und Presse hat bereits ihre Ablehnung dazu ausgedrückt. Sogar der Kinderschutzbund sieht die geplanten Eingriffe in verschlüsselte Kommunikation kritisch und stellt klar, dass verschlüsselte Kommunikation bei der Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen kaum eine Rolle spielt.
Wenn das Gesetzesvorhaben wie vorgeschlagen umgesetzt wird, ist dies das Ende der Privatsphäre im Internet! Und obendrein eine Blaupause für alle Diktatoren und Despoten auf der ganzen Welt. Aus BÜNDNISGRÜNER Sicht ist dieses Vorhaben abzulehnen und muss unbedingt verhindert werden.
Unterstützer*innen
Daniel Gerber (KV Leipzig)
Jennifer Petzl (KV Chemnitz)
Thorge Babbe (KV Chemnitz)
Dominik Hirt (KV Nordsachsen)
Laszlo Barrena (KV Leipzig)
Jonathan Wiencke (KV Leipzig)
Denis Korn (KV Nordsachsen)
Merle Spellerberg (KV Dresden)
Kerstin Wilde (KV Leipzig)
Charlotte Henke (KV Dresden)
Lea Fränzle (KV Mittelsachsen)
Antonia Groß (KV Leipzig)
Paul Löser (KV SOE)
Heinrich Rödel (KV Dresden)
Lukas Mosler (KV Bautzen)
Jonas Wübbenhorst (KV Dresden)
Linus Bauer (KV Leipzig)
Lena Gaidies (KV Leipzig)
Claire Carlson (KV Leipzig)
Carolin Renner (KV Görlitz)
Hannah Krause (KV Görlitz)