Veranstaltung: | 55. Landesversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 19 Weitere Anträge (V-Anträge) |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | LAG Planen-Bauen-Wohnen |
Beschlossen am: | 15.05.2022 |
Eingereicht: | 19.04.2022, 21:36 |
Vorbildlich Nachhaltiges Bauen des Freistaates Sachsen und seiner Gesellschaften
Beschlusstext
1. Wir fordern eine Selbstverpflichtung des Freistaates Sachsen und seiner
Gesellschaften, nachhaltig zu bauen und damit eine Vorbildfunktion zu
übernehmen.
2. Wir fordern, die Vergabe von Fördermitteln für den Hochbau an
Nachhaltigkeitskriterien zu binden.
3. Wir fordern die konsequente Anwendung von bewertungsorientierten Leitfäden
für nachhaltiges Bauen wie bspw. das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB)
oder das Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
(DGNB). Dabei sind bereits bei der Bedarfsermittlung und Aufgabenstellung
nachhaltigkeitsorientierte Kriterien als Grundlage für die Entwurfsarbeit zu
berücksichtigen.
Die „Systematik für Nachhaltigkeitsanforderungen in Planungswettbewerben“ (SNAP)
soll hierfür den methodischen Rahmen bieten.
4. Wir fordern analog zum Maßnahmenprogramm Nachhaltigkeit der Bundesregierung
(2021), dass bei investiven Baumaßnahmen ab 2 Mio. EUR der Mindeststandard
„BNBSilber“ oder Vergleichbares bei Anwendung des DGNB-Systems nachzuweisen ist.
5. Wir fordern die Schaffung von Stabsstellen für Nachhaltigkeit als
Querschnittsfunktion im Staatsministerium für Regionalentwicklung sowie im
Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB). Diese sind
personell und mit Entscheidungskompetenzen so auszustatten, dass sie den o. g.
Mindeststandard „BNB-Silber“ bei allen öffentlichen Bauten im Freistaat
sicherstellen können.
6. Wir fordern zusätzlich zu den Anforderungen der o. g. Zertifizierungssysteme,
dass staatliche Gebäude alle Möglichkeiten der Eigenbedarfsdeckung mit
regenerativer Energie ausschöpfen. Dabei sind die Energiepotenziale des
Quartiers mitzudenken (z. B. PV-Pflicht auf Parkplätzen).
7. Wir fordern die aktive Beteiligung der sächsischen Landesregierung an der
Evaluierung und Weiterentwicklung des Leitfadens und des Zertifizierungssystem
des BNB auf wissenschaftlicher und verwaltungstechnischer Ebene. Insbesondere
soll dabei auf geschlossene Stoffkreisläufe, kurze Transportwege und Suffizienz
Wert gelegt werden.
8. Wir fordern die verbindliche Einführung des digitalen
Gebäuderessourcenpasses.
9. Wir fordern den Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten.
10. Wir fordern eine systematische Förderung und Weiterbildung bspw. in einem
Kompetenzzentrum oder mithilfe einer Fachkräfteinitiative, um die spezifische
Qualifikation für nachhaltiges Bauen im sächsischen Handwerk sowie bei
Architekt*innen und Ingenieur*innen zu sichern. Gleichzeitig fordern wir eine
Aus- und Weiterbildungsinitiative bei allen Bauberufen.
11. Wir fordern die Einführung eines jährlichen „Tag des Nachhaltigen Bauens in
Sachsen“.
Hier sollen die vielfältigen sächsischen Initiativen öffentlichkeitswirksam
zusammengetragen, vernetzt und gefördert werden.
Begründung
Die Bauindustrie ist eine Schlüsselbranche bei der Hinwendung zu nachhaltigem Wirtschaften und Verringerung der globalen CO2-Emission. Laut der UN gehen 38% des weltweiten CO2-Ausstoßes auf den Bausektor zurück!
Die jüngsten Extremwetterereignisse haben deutlich gemacht, dass Planung, Bauweisen und Materialien sich gewandelten und wandelnden Klimabedingungen anpassen müssen. Sachsen soll Vorreiter für die Realisierung ökologischer Innovationen im Bausektor werden.
Nachhaltiges Bauen kann mit nachwachsenden Rohstoffen, innovativen Konzepten, serieller Herstellung und längerer Nutzung selbst im sozialen Wohnungsbau günstig realisiert werden.
Es braucht biobasierten Wärmeschutz (z.B. Holzfasern), CO2-neutrale Baustoffe (wie Holzwerkstoffe oder Lehm), Einsatz von recycelten Baustoffen/Baumaterialien, das urbane Mikroklima ausgleichende Gebäudeelemente (Dach- und Fassadenbegrünung) und für maximale Energieeffizienz intelligente/smarte Gebäudetechnik.
Dies gilt gleichermaßen für Neubau, Umbau und Sanierung.
Durch modulare, einfach veränderbare Bauten mit flexiblen Grundrisslösungen, die eine Nutzungsvielfalt gewährleisten und der Verwendung von Baustoffen und Bauprodukten, die einen eindeutigen Wiederverwendungsweg garantieren (zirkuläres Bauen), können wir bereits heute den Abfall von morgen vermeiden.
Heute können alte Bautraditionen mit neuen technischen Möglichkeiten kombiniert und optimiert werden und so nachhaltige, langlebige Gebäude entwickelt werden.
„Ein wesentliches Merkmal des Nachhaltigen Bauens besteht auch darin, bereits von den ersten Planungsphasen an die Anforderungen an den Umweltschutz, an die Wirtschaftlichkeit und an Gesundheit, Behaglichkeit und Komfortansprüche der zukünftigen Nutzer in der Planung zu berücksichtigen. Somit kommt der Durchführung von Planungswettbewerben auch hinsichtlich des nachhaltigen Bauens eine Schlüsselfunktion im gesamten Planungsprozess zu.“
(https://www.nachhaltigesbauen.de/fileadmin/pdf/veroeffentlichungen/SNAP_1_Empfehlungenkorr.pdf)
Eine Reihe deutscher Bundesländer hat bereits seit vielen Jahren verbindliche Vorgaben für nachhaltige, klimagerechte Landesbaustandards.
Beispielhaft seien hier Baden-Württemberg (https://fm.baden-wuerttemberg.de/de/bauenbeteiligungen/energie-und-klimaschutz/nachhaltiges-bauen/), (https://um.badenwuerttemberg.de/de/umwelt-natur/nachhaltigkeit/nachhaltigkeitsstrategie/nbbw/),
Nordrhein-Westfalen (https://www.blb.nrw.de/fileadmin/Home/BLB_NRW/Nachhaltigkeit/blbnrw-leitbild-nachhaltigkeit.pdf) und Berlin
(https://www.stadtentwicklung.berlin.de/bauen/nachhaltiges_bauen/download/oeffentlicher_hochbau_bnb/Hinw-eise_BNB_Anwendung_Berlin.pdf) genannt.
Demgegenüber hat das Leitbild des Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) keine Zielstellungen in Richtung Nachhaltigkeit formuliert
(https://www.sib.sachsen.de/leitbild-3990.html).
Es wird zwar erklärt, entsprechende Kompetenzen aufzubauen, diese finden aber keinerlei systematische Förderung oder gar verbindliche Umsetzung, soweit sie nicht durch EUFörderrichtlinien in Pilotprojekten erzwungen werden.
Der SIB bietet jedoch durch seine Vernetzung und Steuerungsfähigkeit hervorragende Möglichkeiten auf dem Weg zu einer vorbildhaften, nachhaltigen Wende des öffentlichen Baus.
Die aktive Beteiligung der sächsischen Landesregierung an der Evaluierung und Weiterentwicklung des Leitfadens und des Zertifizierungssystems soll geschehen, um Hinderungsgründe für die Anwendung und Fehlanreize zu identifizieren und zu minimieren. Beispielsweise ist die Betrachtung von Stoffkreisläufen und Abfallvermeidung bisher nicht hinreichend erfasst. Auch Regionalität bzw. die Reduzierung von Transportwegen ist zu beachten.
Ein Ökologischer Kriterienkatalog für landeseigene Bauten kann die Anforderungen in den Bereichen Energie, Wasser, Grün, Baustoffe und Abfall spezifizieren. Vorgaben gibt es z. B. in Berlin:
(https://www.stadtentwicklung.berlin.de/bauen/oekologisches_bauen/download/bausteine/oekologische_kriterie-n_0907201966.pdf).
Das 1,5 oder maximal 2-Grad Klimaziel ist nur erreichbar, wenn es gelingt, das Bauen jetzt grundlegend zu reformieren und auf hundert Prozent nachwachsende Rohstoffe, CO2-Neutralität sowie vollständige Wiederverwertbarkeit umzustellen!